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Bern wählt Bewegung

Demokratie lebt vom Widerspruch – nicht vom Ausschluss

  • Autorenbild: Daniel Beyeler
    Daniel Beyeler
  • vor 8 Minuten
  • 2 Min. Lesezeit

Vielleicht war die Zeit stabiler Demokratien, wie wir sie in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt haben, tatsächlich ein seltener Glücksfall der Geschichte. Was lange als unerschütterlich galt – Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Meinungsfreiheit –, wird heute vielerorts infrage gestellt. Und auch bei uns nehmen Polarisierung, Unsicherheit und politische Entfremdung zu.


Der Politologe Yascha Mounk beschreibt diese Entwicklung mit klarem Blick. Er spricht von einer Erosion politischer Gewissheiten – und davon, dass autoritäre Versuchungen oft als vermeintlich pragmatische Antworten auftreten. Doch gerade darin liegt die Gefahr. Denn wer glaubt, man könne Populismus mit autoritären Mitteln stoppen, verkennt, was Demokratie im Kern ausmacht.


Demokratie lebt nicht von Kontrolle, sondern von Vertrauen. Nicht von Ausschluss, sondern von Beteiligung.

Die Schweiz hat über Jahrzehnte gezeigt, dass Mitbestimmung ein wirksames Gegengift zu politischer Radikalisierung sein kann. Unsere Volksrechte sind kein Schönwetterinstrument – sie funktionieren auch dann, wenn es stürmisch wird. Wer überzieht, scheitert am Souverän. Wer überzeugt, findet Mehrheiten. So funktioniert gelebte Demokratie.


Umso nachdenklicher stimmt die jüngste Polarisierungsstudie von Pro Futuris: Fast 40 Prozent der Befragten – besonders viele junge Menschen – wären bereit, ihre unbeliebteste Partei vom politischen Prozess auszuschliessen. Diese Entwicklung sollten wir ernst nehmen.


Denn Demokratie beginnt nicht erst im Bundeshaus – sie beginnt im Kopf. In der Bereitschaft, andere Meinungen auszuhalten. In der Fähigkeit, Kompromisse zu suchen. In der Haltung, Unterschiedlichkeit nicht als Bedrohung zu empfinden, sondern als Normalität einer vielfältigen Gesellschaft.


Die liberale Demokratie ist keine bequeme Staatsform. Sie ist anstrengend. Sie verlangt Geduld, Reibung, Debatte – und manchmal auch den Mut, eigene Positionen zu hinterfragen. Aber sie ist die einzige Staatsform, die es uns ermöglicht, unsere Konflikte friedlich, fair und gemeinsam zu lösen.


Wenn wir diese Ordnung erhalten wollen, braucht es mehr als juristische Sicherungen. Es braucht eine demokratische Kultur, die auf Offenheit und Respekt beruht. Eine Kultur, die auch Widerspruch aushält, ohne gleich den Ausschluss zu fordern. Und eine Kultur, die gerade jungen Menschen wieder vermittelt: Deine Stimme zählt. Nicht nur bei Wahlen, sondern im Alltag – im Dialog, im Zuhören, im Mitdenken.


Denn Demokratie ist kein Gleichschritt.Sie ist ein Gespräch zwischen vielen Stimmen. Und sie bleibt nur stark, wenn wir bereit sind, ihr zuzuhören.


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